Folgen des Lockdowns: Husumer Vereine und Organisationen schlagen Alarm – nur online ist nicht genug

Husum – Corona setzt allen zu. Wirtschaft, Kultur, Politik, Schule, Gesellschaft: Nahezu alle Bereiche des Lebens werden derzeit beleuchtet. „Doch kaum jemand richtet den Blick auf die Jugendarbeit“, klagt Lars Wulff, Leiter des Kinder- und Jugendforums BISS und Husums Stadtjugendpfleger. Seit dem ersten Lockdown im März 2020 war das BISS für sechs Monate geschlossen oder nur bedingt geöffnet. „Und die Hoffnung, ab Januar 2021 würde alles wieder seinen normalen Gang gehen, hat sich zerschlagen.“ Somit würden Kinder und Jugendliche derzeit keinen Ort vorfinden, der je nach Bedürfnis und Interesse besucht werden kann.
„Wir arbeiten überwiegend mit digitalen Angeboten. Das funktioniert bedingt und ersetzt in keiner Weise das, was die Jugendarbeit auszeichnet: Spaß, Begegnung, Kommunikation, Annahme, Unterstützung und Verlässlichkeit“, so Wulff. Andere Vereine und Organisationen der Jugendarbeit in der Stadt bestätigen das: Auf Wulffs Anfrage gab es entsprechende Rückmeldungen.
Allen gemein ist die Erkenntnis, dass derzeit kaum etwas möglich ist und dass digitale Angebote Grenzen haben. Es herrsche eine gewisse Online-Ermüdung. Wer über den Laptop unterrichtet werde, wolle seine Freizeit nicht auch noch davor verbringen. Außerdem ist es nicht damit getan, Kontakte ausschließlich online zu halten. „Obwohl das zumindest besser als nichts ist“, so die Besucherinnen und Mitarbeiterinnen vom Mädchentreff Husum Pro Familia. Persönliche Begegnungen könnten digital nicht ersetzt werden. Den Mädchen und Frauen fehlen die realen Kontakte zu anderen Menschen, der Austausch und die Unterstützung. Die Herausforderung sei derzeit der Spagat zwischen Bedürfnissen und aktuellen Möglichkeiten.
Der Spielmannszug Rödemis berichtet von einer „durchaus angespannten Lage“. Nur den Mitarbeitern sei es zu verdanken, dass der Verein durch ständige Kontakte über die sozialen Netzwerke lebendig bleibt. „In Zeiten, in denen Vereinsamung droht, ist Vereinsarbeit mehr als nur die Bereitstellung von Gerät. Aber Hoffnung und Zuversicht lassen sich nicht auf Dauer konservieren“, so Pressewart Peter Empen. „Veränderungen müssen spürbar sein, damit die Freude an der Gemeinschaft nicht verloren geht.“
Henning Jessen vom TSV 1875 Husum sieht „die Gefahr, dass vor allem die wettkampforientierten Abteilungen größere Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg in den Wettbewerb haben werden, da nicht absehbar ist, ob Mannschaften in gleicher Stärke vorhanden sein werden, vom Leistungsniveau ganz zu schweigen“. Darüber hinaus habe sich ein enormer Stau beim Schwimmen aufgebaut, der vermutlich noch längere Zeit ins Gewicht fallen werde: „Ein gesamter Jahrgang hat bislang nicht Schwimmen gelernt, was nachgeholt werden muss.“ Erfreut zeigt sich Jessen über die Tatsache, dass trotz stark eingeschränkter Angebote die Mitglieder dem Verein die Treue halten und nicht austreten. Jedoch blieben neue Eintritte derzeit überwiegend aus.
„Es braucht nicht Corona, um die vielen wichtigen Aspekte herauszuheben. Überall in der Jugendarbeit eignen sich Jugendliche Teamgeist, Kreativität, Verantwortungsbewusstsein und soziale Kompetenz an. Darüber hinaus wird der dringend benötigte Feuerwehr-Nachwuchs ausgebildet, Kultur wird geschaffen und bewahrt, künftige Fußball-Stars werden gefördert. Als Flüchtlinge in unsere Region kamen, hat die Jugendarbeit in allen Bereichen mit Bordmitteln beachtliche Integrationsarbeit geleistet. Das ist ein Gewinn für die Gesellschaft, der kaum gesehen wird“, sagt Wulff.
Darüber hinaus schaffe die Jugendarbeit großartige Erlebnisse: „Ob Reisen ins Ausland zu Musikzug-Wettbewerben, Freizeiten, kirchliche Treffen mit Jugendlichen aus Tansania, Zeltlager, Ferienpass-Aktionen, internationale Begegnungen der Pfadfinder bis hin zur Teilnahme von Sportlern an den Olympischen Spielen: Daran erinnern sich Jugendliche ein Leben lang und es prägt sie“, so Wulff weiter. So etwas könne nur Jugendarbeit, nur derzeit jedoch eben nicht. Der Stadtjugendpfleger stellt klar: „Jugendarbeit ist systemrelevant und nicht nur ,nice to have‘“. hn

Quelle: Husumer Nachrichten 01.02.2021